Leipzig / Berlin (lvz/fhb) -
Kurz vor der zweiten Sondierungsrunde zwischen
CDU/CSU und SPD am Montag drängt der Willy-Brandt-Kreis die SPD-Spitze
zu einem Verzicht an der Regierungsbeteiligung. Die der SPD nahestehende
Initiative unter Vorsitz des früheren DDR-Bürgerrechtlers Friedrich
Schorlemmer fordert in einem Brief an SPD-Chef Sigmar Gabriel und
Fraktionschef Frank Walter Steinmeier "in Sorge um die Sozialdemokratie"
eine klare Absage an die Union. "Einen fahrenden Zug kann man stoppen",
heißt es in dem Schreiben, das der Leipziger Volkszeitung
(Sonnabend-Ausgabe) vorliegt. Es gebe keinen zwingenden Grund für eine
große Koalition. "Sie ist weder unausweichlich noch staatspolitisch
notwendig. Im Gegenteil", heißt es weiter.
Stattdessen forderte
der Willy-Brandt-Kreis die SPD dazu auf, sich klar als stärkste
Oppositionspartei im Bundestag zu bekennen und "gefährdete Bürgerrechte"
angesichts überbordender staatlicher Sicherheitsaparate zu verteidigen.
Eine große Koalition
mit einer Opposition aus weniger als 15 Prozent der Abgeordneten
gefährde die Balance und Kontrollfunktion des Parlaments. "Wie bei den
sogenannten Eurorettungspaketen wird die schleichende Entmachtung des
Parlaments voranschreiten. Es wird, wie die vergangene Legislaturperiode
gezeigt hat, aus machtpolitischer Raison mehr und mehr zu einem
Vollzugsorgan des Kanzleramtes verkommen und alles, was unter
tatkräftiger Mitwirkung der SPD gelingt, der Kanzlerin wiederum
zugeschrieben." Nur mit einer starken SPD außerhalb der Merkel-Regierung
könne auch der Bundesrat seiner Verantwortung als Korrektiv zwischen
Bundes- und Länderinteressen nachkommen und der "Versuchung des
Durchregierens" widerstehen.
Der Willy-Brandt-Kreis befürchtet
zudem, dass sich die SPD "in der Klammer von CDU/CSU" die Chance
verbaue, Möglichkeiten von Rot-Rot-Grün auszuloten. Nur in der
Opposition gebe es die Chance, den Druck auf die Linke zu erhöhen, damit
diese ihre strittigen Positionen in der Europa- und Außenpolitik
überdenke. "Wenn der Linken in den nächsten Jahren die Rolle der
zahlenmäßig stärksten Opposition zufällt, wird dies zu Lasten einer
mitregierenden SPD die strategische Option einer rot-rot-grünen Kooperation
verbauen." Stattdessen würden "Differenzen wieder künstlich ideologisch
aufgeladen, statt pragmatisch linke Wege im Interesse des Gemeinwohls
zu suchen", heißt es abschließend.
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